13 GREEN BRANDS TTIP: Noch mehr Wettbewerb? Noch mehr Bürokratie? Weniger Nachhaltigkeit? Die beiden Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und CETA (Comprehensive Eco- nomic and Trade Agreement), die derzeit in aller Munde sind, machen die Lage nicht einfacher. Dass die Verhandlungen nicht nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sondern auch ohne der gewählten Volksvertreter erfolgen und am Verhand- lungstisch die Konzerne sitzen und nicht der Mittelstand und schon gar nicht kleine Unternehmen, bieten viel Raum für Spekulationen und Befürchtung. Während die Kritiker sagen: Wir wollen nicht, dass unsere hohen Umwelt- und Sozialstan- dards aufgeweicht werden, hat der Bundeswirtschaftsminis- ter dieses Argument geschickt umgekehrt und behauptet: Wir müssen diese Abkommen nützen, um Europas hohe Stan- dards festzuschreiben.Wie auch immer man dieses Argument dreht und wendet: sicher ist, dass mit solchen Abkommen ein eigenständiger europäischer Weg nicht mehr möglich sein wird, denn alle das Handelsabkommen betreffenden Gesetze, Normen, Standards und Maßnahmen sind in Zukunft von der Zustimmung der transatlantischen Partner abhängig. Und öf- fentliche Investitionen müssen demnächst so ausgeschrieben werden, dass die Unternehmen in unserem transatlantischen Partnerländern nicht schlechter gestellt sind, als europäische Unternehmen! Auch wenn die EU inzwischen das Sonderklagerecht auslän- discher Investoren begrenzen und private Schiedsgerichte ausschließen will, bleiben viele Fragen offen. Tatsächlich ist die Gefahr real, dass CETA und TTIP einen massiven Abbau von Demokratie, öffentlicher Daseinsvorsorge, Umweltschutz und weitereWettbewerbsnachteile für eine regional ausgerichtete Wirtschaft mit sich bringen. Im oekom Corporate Responsibility Review 2015 hat die Nachhaltigkeitsrating-Agentur oekom research erst kürzlich die Nachhaltigkeitsleistungen von US- und EU-Großunter- nehmen miteinander verglichen. Dabei zeigte sich, dass sich US-Unternehmen bisher deutlich weniger mit den Heraus- forderungen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Während EU-Unternehmen bei diesem Vergleich eine durchschnittliche Bewertung von 40,6 auf der von 0 bis 100 (Bestwert) reichen- den Skala erhielten, kamen die US-Unternehmen nur auf eine durchschnittliche Bewertung von 25,2. Es ist also wenig wahr- scheinlich, dass TTIP daran etwas ändern wird. Ganz gleich, was der Wirtschaftsminister verspricht. Auch die Behauptung der Bundesregierung und der Europäi- schen Kommission, dass TTIP dem Mittelstand nützen würde, ist derzeit wenig glaubhaft. Zentrale Elemente des geplanten Abkommens wie Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren (ISDS), Vereinheitlichung von Normen und Standards sowie Marktöffnung im Bereich Kultur, Daseinsvorsorge und öffent- licher Ausschreibungen nutzen vor allem den Interessen glo- baler Konzerne, die mit besserer Kapital- und Personalausstat- tung kleine und mittelständische Unternehmen vom Markt verdrängen werden. Nicht nur 300 österreichische und viele deutsche Gemeinden haben sich inzwischen gegenTTIP ausgesprochen und fordern, dass alle Bereiche der Daseinsvorsorge (Infrastruktur, Wasser, Gesundheit) aus dem Vertrag herausgehalten werden. Auch immer mehr KMU wehren sich gegen diese Abkommen. Anke Kähler, Vorsitzende des Vereins der Bäcker, schrieb erst kürzlich im Onlinejournal n21: „Die Zukunft der Landwirt- schaft und des Lebensmittelhandwerks liegt in der Region und in ihrer Funktion für eine sichere, faire und enkeltaugliche Versorgung der Menschen mit gesunder Nahrung – nicht im globalen Handel. Was hat die Exportorientierung der Wirt- schaft dem Lebensmittelhandwerk bisher gebracht? Schon heute sehen sich die kleinen und mittleren Betriebe (KMU) des Lebensmittelhandwerks sogenannten „regulatorischen Harmonisierungen“, völlig überzogenen, existenzgefähr- denden Reglementierungen ausgesetzt. Oftmals wird ihnen jegliche Eigenverantwortung durch bürokratische Kontrollen abgesprochen. Die Übertragung von Industrienormen auf das Handwerk, zu denen bspw. auch ISO-, IFS- und HACCP-Stan- dards gehören, führen zu überbordenden Reglementierungen. Sie sind im Alltagsgeschäft,insbesondere kleinster und kleiner Handwerksbetriebe kaum zu bewältigen, belasten die Unter- nehmen finanziell,organisatorisch und führen darüber hinaus in vielen Fällen am Ziel vorbei. Auf der anderen Seite werden nach wie vor industrielle, auf den Export ausgerichtete Produzenten von Lebensmitteln, sei es im Fleisch-, Molkerei- oder Backwarenbereich, durch di- rekte und indirekte Subventionen gefördert. Die dadurch ent- stehenden drastischen Verzerrungen im Wettbewerb führen in Europa ebenso wie in den Exportländern zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen in der Land- und Lebensmittel- wirtschaft und damit auch zu einer veränderten Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Die Folgen sehen wir im Verlust bäuerlicher Betriebe, aktuell besonders betroffen sind die Milchviehbetriebe, und im sogenannten „Bäcker- und Metzger-Sterben“. Die Abhängigkeit Vieler von Wenigen ist keine Grundlage für Fairness und Souveränität.“ Diese Situation droht nun aus der Sicht vieler KMU noch wei- ter verschärft zu werden. Die Ausrichtung der Freihandelsab- kommen auf eine noch höhere internationale Verflechtung der Wertschöpfungsketten, lässt noch mehr Preiswettbewerb erwarten, obwohl man inzwischen weiß, dass jede weitere Ökonomisierung der Lebensbereiche zu noch mehr Zentralisie- rung, Machtkonzentration und Ungleiheit führt. Es bedeutet noch weitere Transportwege, noch mehr C02 Verbrauch, eine noch intensivere Nutzung und Ausbeutung der Natur. Wäre es nicht viel besser, ein globales, faires und nachhaltiges Miteinander zu fördern, wie z.B. regionalspezifische Lebens- mittelproduktion, bäuerlich-nachhaltige Landwirtschaft und gentechnikfreie Erzeugung von Lebensmitteln? Die STOPT TTIP Demonstration in Berlin mit 250.000 Teilneh- mern aus ganz Deutschland hat Anfang Oktober deutlich ge- macht, wie viele Bürger diese Entwicklungen kritisch sehen und sich eine andere Wirtschaft wünschen.